Wer war Gabriele Tergit, der zu Lebzeiten der literarische Erfolg verwehrt wurde und die heute als große wiederentdeckte ju¿dische Autorin gefeiert wird? Mit ihren so politisch mutigen wie journalistisch brillanten Gerichtsreportagen erregte sie in der Weimarer Republik Aufsehen. Tergit war nicht nur eine couragierte Journalistin, sondern vor allem eine leidenschaftliche Schriftstellerin, die u¿ber ihr Leben und ihre Zeit berichten wollte. Das tat sie in drei großen Romanen, am bekanntesten davon Die Effingers. Sie wurde von den Nationalsozialisten gehasst, entging in der Nacht des 4. November 1933 nur knapp einer Verhaftung und musste fliehen. Doch auch im Exil, erst in Palästina, später in London, blieb sie Optimistin und baute sich mit viel Energie ein neues Leben auf.
Die Tergit-Herausgeberin und Expertin Nicole Henneberg zeichnet auf Grundlage von Hunderten Briefen der Autorin, die glu¿cklicherweise bis heute erhalten sind, die Biographie dieser beeindruckenden Frau nach.
Dem Schriftsteller Sebestyén Paulich, von seinen neun Geschwistern Sebi genannt, macht das Zerwürfnis, das sein gerade erschienenes Buch in der Großfamilie ausgelöst hat, zu schaffen. Darin hat er den Vater als Diktator dargestellt und der Mutter, die bald darauf stirbt, Kummer bereitet. Erst bei ihrer Beerdigung kommt Sebi auf die Idee, dass sie an etwas anderem als an Krebs gestorben sein könnte. Je mehr er nachforscht, desto mehr düstere Geheimnisse kommen ans Licht. Dass man ihn nicht an das Totenbett seiner Mutter gerufen hat, hat jedoch auch mit Sebis viel jüngerer Freundin Lil zu tun. Einige der katholischen Paulichs lehnen sie ab, dabei führen sie selber keineswegs vorbildliche Ehen. Während Lil für einen Politiker zu arbeiten beginnt, der sich für die gefährdete Demokratie Ungarns engagiert, bleibt Sebi in die Immobilien- und Glücksspielaffären seiner Geschwister verstrickt. Als auch der Vater, dessen Lebensweg nach Rumänien und Russland zurückreicht, im hohen Alter stirbt, sorgt sein Erbe für eine Überraschung. »Bis ans Ende unserer Leben« ist ein temporeicher und turbulenter Roman über den Alltag einer so gar nicht alltäglichen Familie im kulturell und politisch tief gespaltenen Ungarn von heute.
Zu seinem 100. Geburtstag überraschte der große amerikanische Dichter und Verleger der Beat-Poeten Lawrence Ferlinghetti die Welt mit Little Boy. Auf Deutsch erschien diese Geschichte seiner Kindheit 2021. Kein Geringerer als der frisch zum Poeta Laureatus gekürte Michael Krüger forderte damals: »Jetzt sollte der Dichter Ron Winkler, der schon Ferlinghettis Erinnerungsbuch Little Boy übersetzt hat, eine Auswahl der dem Free Jazz verpflichteten, bilderreichen Gedichte des guten Menschen von San Francisco herausgeben.«
Diese Herausforderung hat Ron Winkler gerne angenommen und legt nun von ihm übersetzte ausgewählte Gedichte vor. Er schöpft aus dem Werk seit Ferlinghettis durchschlagenden Erfolg Ein Coney Island unseres Geists, der eine Millionenauflage erreichte, und versammelt Texte von 1958 bis 1984. Die Gedichte sind voller Musik und wilder Träume über Liebe, Freiheit und Amerika, das der Einwanderersohn vom Vergnügungspark bei New York bis zu Kaliforniens Big Sur sein Leben lang dichtend durchstreifte.
Zahlreiche Schriftsteller waren passionierte Gärtner, und viele haben über ihre Liebe zu Blumen, Bäumen, Gärten und Parks geschrieben: fasziniert und liebevoll, begeistert oder Rat suchend, immer aber voller Enthusiasmus. »Der literarische Gartenkalender« sammelt für das Jahr 2024 wieder Woche für Woche Zitate über das Gärtnern im praktischen wie im literarischen Sinn und erfreut mit den traumhaft schönen Fotografien von Marion Nickig.
Er war ein großer Europäer und ein scharfsinniger Kommentator dessen, was die angebliche Randstellung und die Umbrüche seines Heimatlandes Ungarn ausmacht, wer sie definiert und wie man sich ihnen gegenüber verhält. Alswortmächtiger postmoderner Romancier und Erzähler nicht nur seiner wechselvollen Familiengeschichte hat Péter Esterházy sich international einen Namen gemacht. Aber auch in weithin wahrgenommenen Zeitungsartikeln hat ersich als Intellektueller selbstbewusst »Aus dem Elfenbeinturm« über »Leben und Literatur« geäußert, Bücher - von Imre Kertész und Péter Nádas bis hin zu Per Olov Enquist und Umberto Eco - diskutiert und voller Witz »Problems of dö raiter tudej« erörtert. Dabei ergreift er auch das Wort zupolitischen Themen, bezieht Stellung gegen den aufkommenden ungarischen rechtskonservativen Nationalismus und die mangelnde Verarbeitung der kommunistischen Diktatur. Endlich auch auf Deutsch zu entdecken ist Péter Esterházy als Essayist, der brillant und eigensinnig, polemisch und differenziertfür die Wahrheit eintritt und schon vor vielen heutenoch virulenten Entwicklungen hellsichtig gewarnt hat.
Eine verehrte Dichterin voller Eleganz, verschlossen und o¿ffentlichkeitsscheu. Eine zierliche Kettenraucherin mit einem Faible für Camping, für Ella Fitzgerald und Woody Allen, die unter Freunden aufblühte, Limericks und practical jokes liebte. Wer war Wislawa Szymborska, die diese Facetten in sich vereinte und 1996 als Literaturnobelpreisträgerin auf einen Schlag weltberühmt wurde? Im ersten deutschsprachigen Porträt der Dichterin spürt Marta Kijowska einer Frau nach, die auf einem Landgut bei Posen aufwächst, um dann mit der Familie nach Krakau überzusiedeln. Die Biografin zeichnet ein Jahrhundert voller Verwerfungen von Krieg, Besatzung, kommunistischer Herrschaft und der anschlie- ßenden Befreiungsbewegung der Solidarnos¿c¿ nach und beschreibt, wie all das sich auf Szymborskas Arbeit und ihre Beziehungen auswirkt.In Nichts kommt zweimal vor bringt uns Marta Kijowska, die große Kennerin der polnischen Literatur, eine faszinierende Perso¿nlichkeit näher, deren vielbeachtete Gedichte - mal verspielt und selbstironisch, mal bitter und tieftraurig - bis heute berühren.
Die junge Lastotschka ist hart im Nehmen. Voller Zielstrebigkeit und mit festem Willen hat sie sich hochgearbeitet, von der Flaschensammlerin zur Chefärztin. Doch ihre von Armut geprägte Kindheit im Moldawien der Achtziger- und Neunzigerjahre verfolgt sie immer noch. Warum musste sie so viele Jahre im Waisenhaus zubringen? Warum hat ihre ruppige Ziehmutter Tamara sie schließlich zu sich geholt und zum Flaschensammeln mitgenommen? Und was ist aus den Frauen in ihrer damaligen Nachbarschaft geworden, ohne die Lastotschka nicht die wäre, die sie heute ist? Gemeinsam mit der Erzählerin kehren wir zurück in den Hof ihrer Kindheit und zum schmerzhaften Aufwachsen in einem System, in dem Menschlichkeit nicht vorgesehen ist. Tatiana T¿i^buleac schildert die Umbrüche, die das heutige Moldawien und besonders Transnistrien noch immer prägen, unsentimental und mit poetischer Sprache.
Seit über 40 Jahren unternimmt das »Jahrbuch der Lyrik« den Versuch, die poetische Produktion aus Deutschland, Österreich und der Schweiz abzubilden. Der ständige Herausgeber Matthias Kniep, der im letzten Jahr die Rolle von Christoph Buchwald übernahm, konnte diesmal die Dichterin Sonja vom Brocke als Mitherausgeberin gewinnen. Gemeinsam haben sie aus über 6000 Gedichten von Lyriker:innen, jungen und älteren, bekannten und unbekannten, ihre Auswahl zusammengestellt. Erstmalig wurde das Verfahren anonymisiert.Die Anthologie will die Bandbreite dessen präsentieren, was in der Dichtung möglich ist. Wie wird heute geschrieben, welche unterschiedlichen Ansätze gibt es? Das Jahrbuch präsentiert den großen Reichtum der deutschsprachigen Gegenwartslyrik.
»Der literarische Katzenkalender« blättert auch im Jahr 2024 für alle Katzenfreund:innen Woche für Woche eine neue Katze auf und lässt Schriftsteller:innen die Scho¿nheit, die Eleganz, die Faulheit, Zärtlichkeit, Neugierde, schlicht: die Perso¿nlichkeit der Katze besingen und beschreiben.