Die evangelischen Kirchen wollen Kirchen der Schrift sein. Nach der reformierten Lehre ist die Bibel klar, eindeutig und verständlich. Sie gibt der Kirche Grundlage und Ausrichtung. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus: die Bibel ist vieldeutig, man kann mit ihr fast alles begründen. So kommt es, daß die Bibel in unseren evangelischen Kirchen nicht so sehr ein gemeinsames Fundament, sondern eher ein immerwährender Zankapfel zwischen verschiedenen Gruppen ist. In dieser Situation versuchte die Theologische Kommission des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes mit ihrem 'Bibelprojekt' Brücken zu schlagen und Gespräche zwischen Vertretern verschiedener Zugangswege zur Bibel zu ermöglichen. Dazu lud sie den Fundamentalisten Prof. Dr. Ernst Lerle, den Evangelikalen Pfr. Dr. Wolfgang Bittner, die Feministin Denise Jornod, den Neutestamentler Prof. Dr. Daniel Marguerat sowie Pfr. Rolf Kaufmann als Vertreter der tiefenpsychologischen und Dr. Kuno Füssel als Vertreter der materialistischen Interpretation zu einem Gespräch ein. 'Zankapfel Bibel' ist die Frucht dieses Gespräches: Die sechs Autoren beschreiben ihre grundlegenden Annahmen und Positionen und interpretieren alle denselben Bibeltext (Mk 6,30-44, die Speisung der 5000). Der Herausgeber, Prof. Dr. Ulrich Luz, vergleicht diese verschiedenen Zugangswege und sucht nach Trennendem und Gemeinsamen. Das Buch ist eine Aufforderung und Hilfe zum Gespräch. Es soll daran erinnern, daß die eine Bibel die Grundlage ist, auf die sich alle Zugangswege beziehen. So möchte es mithelfen, daß auch anderswo, in Gemeinden und zwischen Kirchen und Gruppen, solche Gespräche stattfinden können.
Die Zürcher Bibel geht auf Huldrych Zwingli und seinen Übersetzerkreis zurück. Ab 1524 erschienen verschiedene Ausgaben der fortlaufenden Übersetzung, die schliesslich 1531 mit dem Druck der Deutschen Foliobibel, der sogenannten Froschauerbibel, ihren krönenden Abschluss fand. Auch in den folgenden Jahrhunderten wurde die Zürcher Übersetzung immer wieder revidiert; von 1907 bis 1931 wurde sie nach dem Grundtext neu übersetzt. Wegen ihrer nüchternen, klaren Sprache und ihrer Nähe zum Urtext wurde sie zum Klassiker. In den vergangenen Jahren aber hat sich in der Sprache, in der religiösen Welt wie in der theologischen Forschung viel bewegt. Deshalb beschloss die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Zürich 1984, eine Neuübersetzung in Auftrag zu geben: eine wissenschaftlich zuverlässige und sprachlich sorgfältige Übersetzung für die Gegenwart, verwendbar in Gottesdienst und Unterricht. Die Neuübersetzung der Zürcher Bibel ermöglicht heutigen Leserinnen und Lesern das Verständnis biblischer Texte, legt sie aber nicht auf eine bestimmte Interpretation fest. Sie macht die biblischen Texte zugänglich als Texte, die aus einer vergangenen Zeit in unsere Zeit hinein sprechen. Und sie bringt die Bibel nahe als Grundbuch christlichen Glaubens und als literarischen Text, der über den Alltag und das Alltägliche hinausweist.