Virtuelle Realität ist echte Realität! In seinem höchst originellen Buch liefert der international führende Philosoph David J. Chalmers eine verblüffende Analyse unserer technologischen Zukunft. Er argumentiert, dass virtuelle Welten keine Welten zweiter Klasse sind und dass wir in der virtuellen Realität ein sinnvolles Leben führen können - ja, vielleicht befinden wir uns sogar schon in einer Simulation.
Auf dem Weg dorthin unternimmt Chalmers eine mitreißende Tour durch die großen Ideen der Philosophie und der Wissenschaft. Er nutzt die Technologie der virtuellen Realität, um neue Perspektiven auf altbekannte philosophische Fragen zu eröffnen. Woher wissen wir, dass es eine Außenwelt gibt? Gibt es einen Gott? Was ist die Natur der Realität? Was ist die Beziehung zwischen Geist und Körper? Wie können wir ein gutes Leben führen? All diese Fragen werden durch Chalmers' Analyse in ein anderes Licht gerückt und dadurch auf fruchtbare Weise erhellt.
Gespickt mit wunderbar gewitzten Illustrationen, die abstrakte philosophische Themen anschaulich werden lassen, ist Realität+ ein Grundlagenwerk, das die Diskussion über Philosophie, Wissenschaft und Technologie in den kommenden Jahren prägen wird.
Seit Wissen schriftlich fixiert wird, haben Menschen versucht, es unter ihre Kontrolle zu bringen - oder zu vernichten. Richard Ovenden, Direktor der berühmten Bodleian Library in Oxford, führt uns in fesselnd erzählten Schlüsselepisoden durch die dreitausendjährige Geschichte der Angriffe auf Bücher, Bibliotheken und Archive. Sie handelt von fragilen Tontafeln aus Mesopotamien und kostbaren Bänden mittelalterlicher Gelehrsamkeit, von den grandiosen Bibliotheken in Alexandria und Sarajevo, von irakischen, indonesischen und bundesdeutschen Archiven. Und sie kennt ihre Heldinnen und Helden: Mönche und Hobbyarchäologen, Philanthropen und Freiheitskämpfer und vor allem Bibliothekare und Archivare, die sich gegen die Zerstörung gestemmt haben, nicht selten unter Einsatz ihres Lebens. Bis in unsere digitale Gegenwart, zu Google, Twitter und Co. sowie den neuartigen Gefahren, denen das Wissen der Welt heute ausgesetzt ist, reicht diese faszinierende Kulturgeschichte, die zugleich das politische Manifest eines leidenschaftlichen Bibliothekars ist. Bedrohte Bücher führt uns eindringlich vor Augen, was auf dem Spiel steht, wenn wir die Bewahrung dieses Wissens vernachlässigen oder dem Rotstift opfern: unsere Zivilisation selbst.
Immer stimmt irgendetwas nicht. Wenn die Freundin Zoé plötzlich fremd wirkt, ihre Stimme ein ungewohntes Timbre aufweist, weil sie sich, wie sich endlich erweist, für einen Job beim Radio einem Sprechtraining unterzogen hat. Wenn sich nach Jahren der Fernbeziehung die langersehnte Nähe zu Sam nicht einstellt, weil sich die Liebenden nur übers Telefon kannten und sich ihre wahren Stimmen nicht synchronisieren wollen. Oder wenn der Vater es nicht übers Herz bringt, die von der verstorbenen Mutter gesprochene Ansage auf dem gemeinsamen Anrufbeantworter zu löschen - und damit ihre Stimme auf ewig verschwinden zu lassen.
Die acht ungleichen Frauenstimmen dieser alle Sinne ansprechenden Geschichten erzählen von Momenten, in denen Nähe und Entfremdung ineinander vibrieren. Wo eine winzig kleine Verschiebung im Gefüge allesentscheidend ist und Liebe in Skepsis umschlägt, Befangenheit in Zutrauen. Momente, die Raum für befreiend Neues schaffen.
Eva Illouz geht von der überraschenden These aus, daß die Kultur des Kapitalismus eine intensive emotionale Kultur ausgebildet hat: am Arbeitsplatz, in der Familie und in jeder Form von sozialen Beziehungen. Und mehr noch: Während ökonomische Beziehungen immer stärker durch Gefühle bestimmt werden, gilt für das Reich der Gefühle das Umgekehrte: Sie sind durch eine Ökonomisierung geprägt, die von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Trennung das Gefühlsleben reguliert. Illouz faßt dieses eigentümliche Verhältnis als emotionalen Kapitalismus und geht ihm in verschiedenen Feldern nach. Sie untersucht die neue Form der Gefühle im Internet-Chat und Partnerbörsen, in Lifestyle-Magazinen und Filmen, nimmt aber auch jene Berufsgruppe in den Blick, die aus den Irrungen und Wirrungen der Gefühle ihr Kapital zieht: die klinischen Psychologen.
Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt sich Eva Illouz mit der Frage, wie der Konsumkapitalismus und die Kultur der Moderne unser Gefühls- und Liebesleben transformiert haben. Warum Liebe endet bildet den vorläufigen Abschluss dieses grandiosen Forschungsprojekts und zeigt, warum mit Blick auf unsere sexuellen und romantischen Beziehungen vor allem eines selbstverständlich geworden ist: sich von ihnen zu verabschieden.
Illouz arbeitet heraus, wie es um Beziehungen in Zeiten von Speed-Dating und Tinder, von Gelegenheitssex und Körperkult bestellt ist - und warum insbesondere Frauen die Leidtragenden dieser gleichermaßen sexualisierten wie sexuell befreiten Kultur sind. Zeitgemäßer geht es nicht.
Der Konflikt zwischen Geistes- und Naturwissenschaften tritt in der aktuellen Diskussion um ein sich wandelndes Menschenbild besonders hervor. Dieser Band enthält eine Reihe von exemplarischen Gesprächen, in denen der Hirnforscher Wolf Singer der Idee vom frei handelnden Menschen den u. a. von neuronalen Prozessen weitgehend determinierten Menschen entgegenstellt, aber auch die Bedeutung von sozialen und kulturellen Faktoren für die geistige Entwicklung des Menschen betont. Kritisch setzt sich Singer mit der Vision einiger Zukunftsforscher auseinander, die die Entwicklung von künstlichen Gehirnen für die nächsten Jahre voraussagen. Die Gespräche mit Singer vermitteln aber auch einen Einblick in seine aktuellen Projekte in der Hirnforschung, die Hoffnung für die Entwicklung neuer Therapieformen geben.
Übrig geblieben sind ihr nur ein Briefumschlag mit einer Handvoll Fotografien und die Angst vor dem Vater, die Sorge um ihre Mutter und ihren Bruder, die Knoten in ihrer Brust. Seka sucht mit Anfang zwanzig nach den Spuren ihrer zerbrochenen Familie und ihres bisherigen Lebens. Sie rekonstruiert den Weg ihrer Eltern aus Bosnien in die Schweiz und fragt nach den Verbindungen, den Fäden zu ihr. Dabei stößt sie auf das Gefangenenlager in Omarska in den neunziger Jahren und einen Brief, der sie weiter nach Den Haag und Genf führt, später ins Berner Oberland. Und sie stellt fest, dass in Omarska heute Erz in den Minen abgebaut wird, als hätte es die Geschichte nicht gegeben, die eines fast schon vergessenen Krieges in Europa. Dabei wirken die Versehrungen der Vergangenheit bis in die Gegenwart fort.
Mina Hava verknüpft in ihrem Debütroman historisches Material, Recherche- und Rekonstruktionsarbeit mit persönlichen Erfahrungen, Verlusten und Ängsten - und beleuchtet, was Geschichte bedeutet für Landschaften und Körper. Sensibel erzählt Für Seka ein junges Leben, in dem das Politische und das Persönliche untrennbar verbunden sind, eine Geschichte vom Verlassen und Verlassenwerden und von der Frage, was war.
Jacques Gernets Werk ist die erste wissenschaftliche Universalgeschichte Chinas von den Anfängen der Zivilisation bis in die Zeit der Kulturrevolution. Es ist zudem der erste Versuch, die Geschichte Chinas als integralen Teil der Weltgeschichte darzustellen, die chinesische Kultur nicht als eine exotische, in sich geschlossene Sonderform abzuhandeln, deren interne Strukturen sich nur dem Eingeweihten erschließen, sondern auf die vielfältigen Entsprechungen und Beziehungen hinzuweisen, die in den letzten 2000 Jahren zwischen Orient und Okzident herausgebildet wurden. Gernets These: Europa verdankt China mehr als China Europa.
Ein Ritt durch die düstere Berliner Schattenwelt: realistisch und absurd, vielschichtig, rührend und rasend spannend
Saad und seine kleine Tochter Leila leben unterm Radar in Berlin. Saad verdient sein Geld als Wächter in einem Charlottenburger Parkhaus, aus gutem Grund in der Nachtschicht.
In diesem Parkhaus steht auch der Luxusschlitten des Staatssekretärs Brasch, der mit dem Waffenhändler Müller und undurchsichtigen Saudis fiese Geschäfte macht. Als Brasch betrunken und zugekokst einen Verkehrsunfall baut und man zu seiner Überraschung eine Leiche in seinem Kofferraum findet, ist das ein Fall für die junge Kriminalkommissarin Nihal Khigarian.
Die hatte Saad schon ein paar Tage vorher zufällig kennengelernt, als sie ihm und Leila bei einer Schlägerei mit wüsten Pöblern geholfen hat. Leila ist sofort zu Nihal hingezogen, und auch Nihal und Saad ahnen, dass da mehr sein wird als eine flüchtige Bekanntschaft. Dabei muss Saad doch unbedingt unsichtbar bleiben, denn er weiß, dass gnadenlose Typen aus seinem früheren Leben hinter ihm her sind.
Und tatsächlich haben es die beiden bald mit Killern zu tun, mit Waffendealern, aufgebrachten Saudis, Drogenmafiosi, ein paar Toten ¿ und noch ein paar mehr ... und einem epischen Showdown in der Hasch-Plantage auf dem Dach des Parkhauses, an dessen Ende es heißt: »Macht ihr so was öfter?«
In der Suhrkamp BasisBibliothek erscheinen literarische Hauptwerke aller Epochen und Gattungen als Arbeitstexte für Schule und Studium. Sie bietet die besten verfügbaren Texte aus den großen Editionen des Suhrkamp Verlages, des Insel Verlages und des Deutschen Klassiker Verlages, ergänzt durch anschaulich geschriebene Kommentare.
Der Vater ist gestorben, und der Sohn, der sich längst in der Stadt ein Leben aufgebaut hat, kehrt für die Beerdigung in die Berge zurück.
Da liegt der Alte, aufgebahrt, und die Dorfgemeinschaft kommt, sich zu verabschieden. Der Tod ist hier kein Abstraktum, sondern von archaischer Präsenz, ist Gewohnheit und Ereignis zugleich. So wird die Totenwache, die den Alten hinübergeleitet, zum Fest für die Lebenden - da drängt sich alles zum Beten im Zimmer, wird aus dem Speisekeller das Beste hervorgeholt, wo das Mahl sonst sparsam ist, und schnipsen die Männer bald Papierkügelchen nach den Frauen.
Florjan LipuS lässt die raue Liturgie eines Abschieds aufwallen, der längst vollzogen ist und doch die Schrecken einer kargen Kindheit in den Karawanken aufruft, in die der Zweite Weltkrieg mit unerträglicher Härte sich eingetragen hat. Trauer um den Toten und ein Fest fürs Leben fallen in eins.
Text und Kommentar in einem Band. In der Suhrkamp BasisBibliothek erscheinen literarische Hauptwerke aller Epochen und Gattungen als Arbeitstexte für Schule und Studium. Der vollständige Text wird ergänzt durch anschaulich geschriebene Kommentare.
Gemeinsame Leitthemen der in diesem Band enthaltenen drei Studien sind die Ursprünge des Selbstverlustes und Wege der Selbstfindung. Das Drama des begabten, das heißt sensiblen, wachen Kindes besteht darin, daß es schon früh Bedürfnisse seiner Eltern spürt und sich ihnen anpaßt, indem es lernt, seine intensivsten, aber unerwünschten Gefühle nicht zu fühlen. Obwohl diese "verpönten" Gefühle später nicht immer vermieden werden können, bleiben sie doch abgespalten, das heißt: Der vitalste Teil des wahren Selbst wird nicht in die Persönlichkeit integriert. Das führt zu emotionaler Verunsicherung und Verarmung (Selbstverlust), die sich in der Depression ausdrücken oder aber in der Grandiosität abgewehrt werden. Die angeführten Beispiele sensibilisieren für das nicht artikulierte, hinter Idealisierungen verborgene Leiden des Kindes wie auch für die Tragik der nicht verfügbaren Eltern, die einst selbst verfügbare Kinder gewesen sind.
Das Wort »Abschied« gehört zu den umgangssprachlich geläufigsten des Alltags und seiner Psychologie. Karl Heinz Bohrer beschäftigt sich in seinem großen Buch nicht bloß eindringlich-provokant mit den verschiedenen Formen des Abschieds. Vielmehr gilt sein theoretisches Interesse dem Abschied als Strukturgesetz. Seine Analyse weist nach, dass sich seit 1800 ein poetischer Diskurs herausbildet, in dem Abschied eine radikal neue, jede Form von Trost zurückweisende Gestalt annimmt, die im Werk von Charles Baudelaire kulminiert. Die moderne Trauer, die Baudelaires Werk prägt, weiß, dass die Gegenwart gar nicht mehr erfahrbar, dass sie stets schon entschwunden ist. Indem die Reflexionsfigur des je schon Gewesenen eine Aufhebung des literarischen Diskurses bedeutet, erkundet die Theorie der Trauer die Grenzen des Erfahrbaren.
Lila und Elena sind sechzehn Jahre alt, und sie sind verzweifelt. Lila hat noch am Tage ihrer Hochzeit erfahren, dass ihr Mann sie hintergeht - er macht Geschäfte mit den allseits verhassten Solara-Brüdern, den lokalen Camorristi. Für Lila, arm geboren und durch die Ehe schlagartig zu Geld und Ansehen gekommen, brechen leidvolle Zeiten an. Elena hingegen verliebt sich Hals über Kopf in einen jungen Studenten, doch der scheint nur mit ihren Gefühlen zu spielen. Sie ist eine regelrechte Vorzeigeschülerin geworden, muss aber feststellen, dass das, was sie sich mühsam erarbeitet hat, in ihrer neapolitanischen Welt kaum etwas gilt.
Trotz all dieser Widrigkeiten beharren Lila und Elena immer weiter darauf, ihr Leben selbst zu bestimmen, auch wenn der Preis, den sie dafür zahlen müssen, bisweilen brutal ist. Woran die beiden jungen Frauen sich festhalten, ist ihre Freundschaft. Aber können sie einander wirklich vertrauen?
Elena Ferrante hat einen Weltbestseller geschrieben. Ein Gipfelwerk der zeitgenössischen Literatur. Und einen Roman, den man erschüttert und begeistert liest!
1891 wurde Nelly Sachs in Berlin geboren, sie starb 1970 in Stockholm. 1966 wurde ihr der Nobelpreis verliehen. »Unter Schmerzen zu altern«, schrieb Olof Lagercrantz in seinem Nachruf, »und zu zerschellen am Übermaß an Leid, wird eine Erfahrung für immer mehr Menschen. Nelly Sachs gehört zu den Dichtern, die wir in der Zukunft am allermeisten brauchen.«Dieser Wahrheit eingedenk, hat Hilde Domin eine Auswahl aus dem lyrischen Gesamtwerk der Nelly Sachs getroffen. Von der Kraft ihres Gedichts sprach sie vor einem Jahrzehnt schon: »Deine Dichtung erhält das Unheil lebendig ... Und zugleich erlöst Du von dem Unheil. Wir die Dichter von jeher und für die Zeiten den Schrecken und zugleich die Katharsis des Schreckens mit sich brachten.«
Auf Grundlage der Anthropologie und Geschichte der nordamerikanischen Ureinwohner sowie mittels Philosophie und psychoanalytischer Theorie erforscht Jonathan Lear die Geschichte des Volkes der Crow im Angesicht der kulturellen Zerstörung. Sein Buch ist eine tiefschürfende und höchst originelle philosophische Studie über eine eigentümliche Verletzlichkeit, die den Kern der conditio humana betrifft.Wie sollen wir mit der Möglichkeit umgehen, dass unsere eigene Kultur zusammenbrechen könnte, wie mit dieser Verwundbarkeit leben? Ist es sinnvoll, sich einer solchen Herausforderung mutig zu stellen?
Bengt Claasen sitzt im Auto, sein ganzes Hab und Gut im Kofferraum. Vor sich, auf dem Armaturenbrett, liegt das Halsband seiner verstorbenen Hündin. Dort, wo es herunterfällt, will er anhalten und ein neues Leben beginnen. Er fährt so langsam und vorsichtig, wie es nur geht, und landet schließlich in Zandschow - einem Nest im äußersten Norden mit einem Feuerlöschteich im Zentrum. Schnell stellt er fest: Die Bewohner des Orts rund um »Getränke-Wolf« folgen einem strengen Wochenplan, donnerstags werden zum Beispiel zwanzig Plastikschwäne auf dem Teich ausgesetzt, und sie feiern an ihrer »Lagune« Festspiele unter künstlichen Palmen. Überhaupt: Mit den prekären Verhältnissen mitten in der Pampa finden sich die Menschen hier nicht mehr ab. Ihr Zandschow ist Sansibar, hier kann man arm sein, aber trotzdem paradiesisch leben, in viel Verrücktheit.Mit unbändiger Fantasie und viel Witz erzählt Thomas Kunst in Zandschower Klinken von einer solidarischen Gemeinschaft, die sich am eigenen Schopf aus der Misere zieht - trotzig und stur, frei und eigensinnig. Er entwirft eine Utopie in unserer globalisierten Gegenwart und findet für sie eine Sprache von bezwingender Musikalität.
"Das Buch erzählt eine Geschichte aus dem Ghetto während des Krieges. Es ist nicht eine Geschichte vom Widerstand, sondern von einem Heldentum ganz anderer Art; eine melancholisch-heitere, leise, eine kunstvoll komponierte Geschichte ist es, die ohne Phantasie und Menschlichkeit nicht denkbar wäre und deren Held Jakob ein »Lügner aus Barmherzigkeit« ist."
Als Urania Cabral nach langen New Yorker Exiljahren nach Santo Domingo zurückkehrt, auf die Insel, die sie nie wieder betreten wollte, findet sie ihren Vater stumm und im Rollstuhl vor. Der einstige Senatspräsident und Günstling des Diktators blickt sie auf ihre schweren Vorwürfe nur starr an, und Urania bleibt allein mit ihren Erinnerungen an die Zeit der Willkür - und an ein ungeheuerliches Geschehen.
Mit ihr kehren wir zurück ins Jahr 1961, als die dominikanische Hauptstadt noch Ciudad Trujillo heißt. Dort herrscht ein Mann, der nie schwitzt, mit absoluter Macht über drei Millionen Untertanen, nackte Gewalt ausübend, wo sie ihm nutzt, Charme und intellektuelle überlegenheit ausspielend, wo er die Gebildeten und die Oberschicht ins Kalkül zieht. Uranias Vater ist da nur eine Schachfigur im perfiden Spiel des Diktators.
Während der »Große Wohltäter«, der fast das ganze Land in seinen persönlichen Besitz gebracht hat, Militär, Kirche, amerikanische Botschaft im Schach zu halten vermeint, sind seine Attentäter längst unterwegs - ohne ihrerseits zu ahnen, daß in ihrem Rücken ein machiavellistischer Machtwechsel im Gange ist.
Im eisigen Zentrum von Vargas Llosas Roman steht die nur allzu reale Gestalt des General Leónidas Trujillo, genannt »Der Ziegenbock«. Doch der Blick des Schriftstellers dringt unter die historische Haut, macht uns zu Zeitgenossen, zu Mitwissern. Den Verschwörern mit ihrer brennenden Begierde, ihren Demütiger zu beseitigen, den intelligenten Politschranzen und den Opfern gibt der Erzähler seine eindringliche Stimme. Und er schürzt den dramatischen Knoten so gekonnt, daß diese Psychographie der Macht und ihrer Verheerungen wie ein Thriller zu lesen ist.
Mario Vargas Llosa erschließt in der spannend entfalteten Handlung dieses Romans, der von dem »Geschichtenerzähler« der Machiguengas und einem verschollenen Studienfreund erzählt, ein brennendes Thema Lateinamerikas: die Kultur der Indios im Amazonasgebiet. Welchen Platz lassen wir dem ganz anderen, wie es sich in der Welt der »Primitiven« zeigt und entzieht, in unserer »modernen« Gesellschaft? Welche Rolle kann der »aufgeklärte« Intellektuelle, der engagierte Schriftsteller in dieser Auseinandersetzung zwischen den Kulturen einnehmen?
»In 'Die Glasglocke' gehen Biographie und Leben, Fakt und Fiktion eine geniale Mischung ein. Die Authentizität des Romans rührt aus ebendieser Gemengelage von Subjektivem und Objektivem, Persönlichem und Gesamtgesellschaftlichem und macht ihn zu einem Meilenstein der amerikanischen Literatur ... .«
»Die Frühschrift Bachtins, die gleichermassen als Grundlegung und als Programm, mithin auch als Einführung zu seinem späteren Schaffen gelten kann, liegt seit kurzem in deutscher Erstübersetzung vor und dürfte den fortdauernden Debatten zum Problem literarischer Autorschaft neuen Auftrieb geben. Bachtin behandelt darin die scheinbar triviale, in Wirklichkeit hochkomplexe Frage nach dem Verhältnis zwischen Autor und Held in der künstlerischen Literatur, vorab in der Erzählkunst. Dass eine Romanfigur und ihre textinternen Aussagen auch von heutigen Lesern gern auf den Autor bezogen, sogar mit ihm identifiziert werden, beruht auf einem weitverbreiteten Missverständnis und hat zur Folge, dass Schriftsteller nicht selten vor Gericht zitiert werden, um sich für Wort und Tat ihrer «Helden» zu verantworten.«
Malina, der erste und einzige Roman der Lyrikerin Ingeborg Bachmann, ist das Buch einer Beschwörung, eines Bekenntnisses, einer Leidenschaft. Malina ist wohl die denkbar ungewöhnlichste Dreiecksgeschichte: weil zwei der Beteiligten in Wahrheit eine Person sind, 'eins sind' und doch jede Person 'doppelt' ist.»Ingeborg Bachmann will in Malina nichts weniger als von den Prägungen einer Intellektuellen im 20. Jahrhundert schreiben. Wie viel an ihrem Leid individuell gesucht und zu verantworten ist, wie viel dagegen strukturell mit ihrem Frausein zusammenhängt, davon handelt dieses auch heute, fast 50 Jahre nach seinem Erscheinen beunruhigende Buch.«
Denis Scheck, Die literarische Welt 10.03.2018