»Die Frühschrift Bachtins, die gleichermassen als Grundlegung und als Programm, mithin auch als Einführung zu seinem späteren Schaffen gelten kann, liegt seit kurzem in deutscher Erstübersetzung vor und dürfte den fortdauernden Debatten zum Problem literarischer Autorschaft neuen Auftrieb geben. Bachtin behandelt darin die scheinbar triviale, in Wirklichkeit hochkomplexe Frage nach dem Verhältnis zwischen Autor und Held in der künstlerischen Literatur, vorab in der Erzählkunst. Dass eine Romanfigur und ihre textinternen Aussagen auch von heutigen Lesern gern auf den Autor bezogen, sogar mit ihm identifiziert werden, beruht auf einem weitverbreiteten Missverständnis und hat zur Folge, dass Schriftsteller nicht selten vor Gericht zitiert werden, um sich für Wort und Tat ihrer «Helden» zu verantworten.«
Malina, der erste und einzige Roman der Lyrikerin Ingeborg Bachmann, ist das Buch einer Beschwörung, eines Bekenntnisses, einer Leidenschaft. Malina ist wohl die denkbar ungewöhnlichste Dreiecksgeschichte: weil zwei der Beteiligten in Wahrheit eine Person sind, 'eins sind' und doch jede Person 'doppelt' ist.»Ingeborg Bachmann will in Malina nichts weniger als von den Prägungen einer Intellektuellen im 20. Jahrhundert schreiben. Wie viel an ihrem Leid individuell gesucht und zu verantworten ist, wie viel dagegen strukturell mit ihrem Frausein zusammenhängt, davon handelt dieses auch heute, fast 50 Jahre nach seinem Erscheinen beunruhigende Buch.«
Denis Scheck, Die literarische Welt 10.03.2018
Juni 1952, die kleine Annie ist 12 Jahre alt. Eines Sonntagnachmittags geschieht etwas Entsetzliches - ohnmächtig muss sie miterleben, wie der Vater die Mutter umzubringen versucht. Nach kurzer Zeit beruhigt sich der Vater, und Annie versucht, den Eklat zu vergessen. Bis sie, nahezu ein halbes Jahrhundert später, auf ein altes Foto stößt, das eine Flut von Erinnerungen auslöst. Aber was genau ist damals geschehen? Und wie ist es dazu gekommen?
Je tiefer Annie in dieses entscheidende Jahr eintaucht, umso deutlicher wird ihr die Spannung, in der die Eltern lebten, zwischen dem Wunsch nach sozialem Aufstieg und dem demütigenden Rückfall in die alten Verhältnisse. Und auch Annies Zerrissenheit gewinnt an Kontur, ihr immer wieder schmerzhaftes Bemühen, dem Einfluss einer religiösen Erziehung zu entrinnen und der bohrenden Sehnsucht nach Aufbruch und einem besseren Leben zu folgen.
Scham ist das beharrliche Gefühl der eigenen Unwürdigkeit. Annie Ernaux seziert es an sich selbst, indem sie weit zurückschwingt in eine eigentlich unfassbare Episode ihrer Kindheit und in eine Vergangenheit, die nicht vergehen will.
Neapel in den Neunzigern, Giovanna ist dreizehn Jahre alt, die Vorzeigetochter kultivierter Mittelschichtseltern, eine strebsame Schülerin. Doch plötzlich verändert sich alles, ihr Körper, ihre Stimmung, die Noten brechen ein, und immer öfter gerät sie mit ihren Eltern aneinander. Zufällig kommt Giovanna der Vorgeschichte ihres Vaters auf die Spur, der aus einem ganz anderen Neapel stammt, einem leidenschaftlichen, vulgären Neapel. Dort treibt sie sich herum, aber die Geheimnisse, auf die sie da stößt, verstören sie. Und als sie bei einem Abendessen bemerkt, wie ein Freund der Familie unterm Esstisch zärtlich die Füße ihrer Mutter streift, verliert sie vollends die Fassung. Denn wem kann sie überhaupt noch trauen? Und was soll ihr Halt geben? Oder ist sie selber bereits unrettbar verwoben in dieses lügenhafte Leben der Erwachsenen?
Elena Ferrante hat ein Bravourstück geschaffen und einen traurigen und schönen Roman geschrieben: über die Heucheleien der Eltern, die Atemlosigkeiten und Verwirrungen der Jugendzeit und über das Drama des Erwachsenwerdens. Darüber, wie es ist, ein Mädchen zu sein und eine Frau zu werden.
»Mit diesem Drehbuch tritt der Leser an die Stelle des handelnden Schauspielers und übernimmt alle Rollen - auch die des Regisseurs und Kameramanns. Eben das, was ein Drehbuch bewirken soll. Das viele Zusatzmaterial, wie zum Beispiel ein Interview mit Dartsteller Ulrich Mühe oder ein Drehtagebuch von Sebastian Koch, runden das Buch hervorragend ab. Da wirft man nicht nur einen Blick auf das Stück selbst, sondern auch hinter die Kulissen des im Jahr 2007 mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichneten Dramas.«
In der 'Suhrkamp BasisBibliothek' erscheinen kommentierte literarische Hauptwerke als Arbeitstexte für Schule und Studium. Die Kommentare enthalten alle für das Verständnis der Werke erforderlichen Informationen: Entstehungs- und Textgeschichte, Wort- und Sacherläuterungen, Selbstaussagen des Autors, Rezeptionsgeschichte, Forschungsüberblick und Literaturhinweise. Zu jedem Band sind auch eine CD-ROM und ein Audio Book erhältlich.