1975. Auf einem eingeschneiten Berg hoch über Gstaad geht in der Nacht ein Chalet in Flammen auf, die Helikopter kommen zu spät. Die Schweizer Polizei geht von einer ausländischen Täterschaft aus und veröffentlicht das Phantombild nicht in der Schweiz. Das Chalet hat dem Pressemagnaten Axel Springer gehört, die Brandstifter werden im Umfeld der RAF vermutet. Der Urheber dieses Anschlags war der Schweizer Autor Daniel de Roulet, der in diesem Buch berichtet, wie er seine Tat geplant und quasi auf einem Sonntagsausflug in die Berge ausgeführt hat. Er erzählt von Irrtümern aus der Befangenheit des Kalten Kriegs heraus und von seiner Verblüffung, als er die posthume Nachricht entdeckte, die Springer für ihn am Tatort hinterlassen hat. Mit der Veröffentlichung löst er ein Versprechen ein, das er seiner Komplizin und damaligen Liebe kurz vor ihrem Tod gegeben hat. Im Nachwort zur Neuauflage erzählt de Roulet, wie er mit seinem Geständnis die Gemeinde Rougemont von einem Fluch erlöst hat.
Anais liebt ihre Mutter, sie liebt ihren Bruder Bruno und insgeheim auch Peter aus der Schule. Die Mutter sagt, das Leben sei eine Wucht, und dass sie gerne noch ein Glas Wein hätte. Denn es hält ihren Sehnsüchten nicht stand, das Leben, und die Männer halten ihrer Liebe nicht stand. Das Tanzen, das sie liebt, ist zum Tanz an der Stange vor den Männern geworden. Es ist nicht einfach, so ein Leben zu leben, sagt die Mutter, darum will sie noch ein Glas. Anais und Bruno versuchen sich und die Mutter zu schützen vor der Außenwelt, die in Gestalt von Mutters Männern mit Haaren auf der Brust in der Küche steht. Oder in der Gestalt von Peter, der ihre Wohnung seltsam findet und nichts anfangen kann mit den tausend, auf der Straße zusammenge-sammelten Dingen. In Gestalt eines Mannes vom Jugendamt, der viele Fragen stellt, sich Notizen macht, der Anais und Bruno betrachtet wie zu erforschendes Material, und in Gestalt einer Nachbarin, die im Treppenhaus lauscht. Je mehr diese Außenwelt in ihre eigene eindringt, desto mehr ziehen sich die Kinder in ihre Fantasie zurück. «Immer ist alles schön» ist ein komisch-trauriger Roman, der mit leisem Humor eine eindrückliche Geschichte erzählt: von scheiternder Lebensfreude in einer geordneten Welt und davon, wie zwei Kinder versuchen, ihre eigene Logik dagegenzusetzen. Mit Anais und Bruno fügt Julia Weber der Literatur ein zutiefst berührendes Geschwisterpaar hinzu.
Sie schrieben Geschichte und gingen vergessen. Sie leisteten Pionierarbeit und blieben unbekannt. Sie kämpften im Heer von Napoleon und opferten ihm ihre Kinder, sie reisten allein um die Welt und waren Gast des Kaisers von China, sie politisierten in den Salons von Paris und brachten in Weimar Schiller zur Weissglut, sie forderten früh «gleichen Lohn für gleiche Arbeit!» und andere Frauenrechte ein. Die Schweizer Geschichte ist reich an Frauen, die Grosses geleistet haben, die aufmüpfig waren, sich nicht um Konventionen scherten. Die sich durchsetzten und wieder vergessen gingen. In 30 brillanten Porträts stellt Daniele Muscionico eine überraschende Auswahl aussergewöhnlicher Schweizerinnen vor. Sie hat dabei viele vergessene wiedergefunden, aber auch Bekannte wie Meret Oppenheim oder Madame de Staël in ein neues Licht gerückt.
Dieser Band präsentiert sämtliche 57 Erzählungen von Meinrad Inglin. Erstmals aufgenommen sind die 11 frühen Erzählungen, die zwischen 1909 und 1926 in Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Herausragend in Inglins Erzählungen ist die Natur, für die er einen ungewöhnlich reichen Wortschatz entfaltet. Aber Inglin ist nicht nur ein Meister der Naturbeschreibungen, eng verknüpft damit sind oft existenzielle Situationen von Menschen, die von Naturgewalten bedroht sind oder in Konfrontation mit der Natur ihren Weg suchen. Ein frühes Nature Writing, das bis heute durch seine Meisterschaft und erzählerische Kraft besticht.
Das Leben von Jolanda Spiess-Hegglin, damals frisch gewählte grüne Kantonsrätin, verändert sich im Dezember 2014 auf einen Schlag: Am Morgen nach der Zuger Landammannfeier erwacht sie mit einem unerklärbaren Filmriss und Unterleibsschmerzen. Nach einer Abklärung im Spital werden Strafuntersuchungen eingeleitet, in ihrem Intimbereich wird die DNA zweier Männer gefunden. Zwei Tage später veröffentlicht die Tageszeitung Blick unter der Schlagzeile 'Hat er sie geschändet?' Namen und Bilder Spiess-Hegglins und eines SVP-Politikers.¿ Es folgten eine mediale Hetzjagd mit Hunderten von persönlichkeitsverletzenden und diffamierenden Artikeln in verschiedenen Medien und eine anhaltende Welle von Hass im Netz. Medienkonzerne haben mit ihrer persönlichkeitsverletzenden Berichterstattung viel Geld verdient. Spiess-Hegglin wehrt sich gegen dieses Geschäftsmodell, zieht fehlerhafte Medienschaffende vor Gericht - und gewinnt. Bisher haben stets andere ihre Geschichte erzählt. In diesem Buch erzählt Jolanda Spiess-Hegglin sie erstmals selbst.
«Wenn du den Weg von Afghanistan in die Schweiz gefunden hast, findest du auch den Weg von Kreuzlingen nach Oberbüren!» Guled musste als neunjähriges Kind seine Familie in Somalia verlassen und traf als Siebzehnjähriger in der Schweiz ein. Ali flüchtete mit seiner Familie aus Afghanistan, verlor diese bei einem Polizeiangriff in der Türkei aus den Augen und gelangte als Fünfzehnjähriger allein in die Schweiz. Aamina floh als Vierzehnjährige vor einer Zwangsheirat aus Somalia. Sie werden UMA genannt - unbegleitete minderjährige Asylsuchende -, Kinder und Jugendliche, die ohne ihre Familie in der Schweiz Asyl beantragen. In diesem Buch geben elf Jugendliche den drei Buchstaben ein Gesicht. Die Jugendlichen erzählen von Fluchtgründen und ihren prägenden Erfahrungen, von der Ankunft in der Schweiz, wo sie nach ihrer grossen Willensleistung auf der Flucht auf einmal warten müssen und nichts tun können. Ihre Erzählungen werfen aber auch ein hilfreiches Licht auf die Bemühungen der Schweiz um ihre Integration. Drei Fachtexte zu Herkunft und Fluchtrouten, zur UN-Kinderrechtskonvention sowie Modellen zu Unterbringung und Betreuung von UMA lassen die Hintergründe verstehen.
Die Schweiz wird geformt von Wasser, Wetter, Stein - und Volksabstimmungen. Seit der Gründung des modernen Bundesstaates 1848 haben die Stimmberechtigten mehr als 680-mal an der Urne Veränderungen der Nation beschlossen oder aufgehalten, mit einem «Ja», einem «Nein» oder einem leeren Stimmzettel. Immer wieder haben Volksentscheide Weichen gestellt. Wir könnten heute in einer Schweiz ohne Armee leben. In einem EU-Staat. In einem Bund von nur 25 Kantonen. In einem Land ohne Frauenstimmrecht. Die Bevölkerung hat dafür gesorgt, dass es anders ist. Nach meist langen, gelegentlich erbitterten öffentlichen Debatten ist sie zur Abstimmung geschritten über die Gründung der SBB oder der AHV, über das Proporzwahlrecht ebenso wie über den Bau von Atomkraftwerken, ein neues Eherecht, eine vierte Landessprache oder den UNO-Beitritt ... «Heute Abstimmung» stellt dreissig Urnengänge vor, die bis heute nachwirken und das Land zu dem gemacht haben, das es heute ist. Und es ist das Porträt einer Nation aus Sicht der stimmberechtigten Bevölkerung.
Eine Frau ist krank, sie wird sterben. Ihr Ehemann begleitet sie. Die Reise geht über hundert Tage, sie führt in drei Kliniken, zu zahlreichen Ärztinnen und Ärzten und schliesslich nach Hause. Die Frau ist Ruth Schweikert, sie hat vor Jahren über ihre Krebserkrankung ein Buch geschrieben, «Tage wie Hunde». Eric Bergkraut schreibt das Buch fort, es wird zur Hommage auf seine Partnerin. Direkt und behutsam zugleich beschreibt er den gemeinsamen Weg. Er blendet zurück auf ein gemeinsames Leben mit Höhen und Tiefen, die erste Begegnung steht neben den letzten Gesten. «Hundert Tage im Frühling» ist das berührende Dokument eines Abschieds. Und wird zugleich zu einem Lebensbuch, das Mut spendet. Vielleicht nicht auf ein anderes Leben nach dem Tod. Aber auf das Leben bis dahin.
Ein Setzling wird in die Erde gepflanzt, man gießt vorsichtig und wartet. Ein Kind wächst während der Schwangerschaft im Bauch der Mutter und kommt zur Welt. Diese elementaren Vorgänge beschreibt Anna Ospelt in ihrer unnachahmlich poetischen Weise. Erkundungen zum Kind, zum Garten, zu den Bäumen und Vögeln verflechten sich zu einem starken Text über den Beginn des Lebens. Und immer ist die gesellschaftliche Frage präsent: Was bedeutet Mutterwerden heute für eine Frau, ihre Arbeit, im Fall der Autorin für ihr Schreiben? «Frühe Pflanzung» ist eine feinfühlige Untersuchung von Elternschaft und eine eigenwillige Auslegeordnung von Naturbeobachtungen.
Paris um 1890, eine junge Cabaret-Tänzerin wird in die Nervenheilanstalt Salpêtrière eingeliefert. Um die Existenz der rätselhaften Krankheit «Hysterie» zu beweisen, veranstaltet der leitende Nervenarzt in der Klinik Vorführungen vor internationalem Publikum. Dabei scheint nicht alles mit rechten Dingen zuzugehen: Die jungen Patientinnen bewegen sich unkontrolliert, verdrehen die Augen, brechen vor der Zuschauerschaft zusammen. Auch die Tänzerin und ihre Freundin Cléo, der wegen ihrer Krämpfe Medikamente verabreicht werden, dienen als Fallbeispiele. Warum verschlimmert sich die gespenstische Krankheit bei ihnen stetig? Gibt es einen Weg raus aus der Salpêtrière, die man im Paris der Jahrhundertwende die «weibliche Hölle» nannte? Um nicht den Verstand zu verlieren, hält die Tänzerin alles in ihrem Notizbuch fest. Ein feiner und humorvoller Roman.
Die drei Romane «Daskind», «Brandzauber» und «Angeklagt» bilden gemeinsam eine Trilogie, die in ihrer Radikalität in der Schweizer Literatur einzigartig ist. Erstmals erschienen zwischen 1995 und 2002, verhandeln sie die existenzielle Dimension der Gewalt. Neben Mariella Mehrs reichem lyrischem Werk ist die «Gewalt-Trilogie» ihr Hauptwerk. Während in «Daskind» die Thematik der Gewalt durch das Brechen einer Identität aufgegriffen wird und die Gewalt im sozialen Rahmen der Dorfgemeinschaft stattfindet, widmet sich «Brandzauber» dem paralysierten Leben einer bereits zerbrochenen Identität, es geht um die in der Geschichte gespeicherte und weitergegebene Gewalt. Der letzte Band «Angeklagt» zeugt von einer beängstigenden Neuformierung von Identitätsbruchstücken, die nackte Gewalt, der Trieb sind die zentralen Motive des Romans. Mariella Mehrs Erzählkunst ist von einer archaischen Kraft, die auch in der Sprache spürbar wird. Dabei haben ihre Werke nichts von ihrer Aktualität eingebüsst: Im Kontext der laufenden Aufarbeitung der Geschichte der Fremdplatzierungen und Zwangsmassnahmen in der Schweiz sind sie hochaktuell. Brisant ist aber auch das Thema der Gewalt gegen «Andersartige» und der problematische Umgang mit Aussenseitern.
113 Jahre Poesie: Diese Anthologie spiegelt das poetische Schaffen in der Schweiz im zwanzigsten Jahrhundert und bis heute. Die poetische Moderne beginnt in der Schweiz um 1900 mit einer Frau, die noch immer fast unbekannt ist, Constance Schwartzlin-Berberat, und sie beginnt mit Blaise Cendrars, Robert Walser und Adolf Wölfli.
In einer ungezwungenen Chronologie folgt die Anthologie dem Lauf der Zeit. Sie ist so komponiert, dass unter den Gedichten Schwingungen und Resonanzräume entstehen, ein poetisches Gespräch, nicht als Zeitdiagnose, sondern eine Art Tiefenstrom der Geschichte. So sprechen Emmy Ball-Hennings mit Annemarie Schwarzenbach, Paul Klee mit Sonja Sekula, Hermann Hesse und Jörg Steiner mit Louis Soutter oder Erika Burkart mit Luisa Famos und Anne Perrier.
Poesie wird hier erstmals in ihrer ganzen Breite präsentiert, lyrische Prosa ist ebenso berücksichtigt wie Wort-Bild-Arbeiten, Mundartgedichte oder Songtexte von Mani Matter über Endo Anaconda bis Sophie Hunger. Neben den Landessprachen sind die von Aus- und Eingewanderten vertreten, alle fremdsprachigen Texte sind in deutscher Übertragung wie im Original wiedergegeben, gegen sechshundert Werke von rund zweihundertfünfzig Autorinnen und Autoren in ihrer ganzen reichhaltigen und überraschenden Vielfalt erhalten hier eine «kleine Poesie-Herberge».
Im 20. Jahrhundert versucht die Schweiz, Fahrende mit Gewalt zu assimilieren. Kindeswegnahme, Versorgung und Zwangsbehandlung sind die Mittel. An der Familie Mehr werden sie durchexerziert. Mit Marie Emma, Mariella und Christian Mehr werden drei Generationen sich selbst entfremdet, beiden Frauen wird das Kind weggenommen. Ihre Wut darüber verarbeitet Mariella als sprachmächtige Schriftstellerin, Christian schreit sie der Gesellschaft als Punk ins Gesicht. Mariella betäubt den Schmerz mit Alkohol, Christian mit Heroin. Das Erlebte dominiert das Leben, verbindet die beiden und spaltet sie zugleich. Es ist die Geschichte einer Mutter-Sohn-Beziehung, welche die mentalen und körperlichen Folgen der behördlichen Gewalt in sich trägt. Auf lebendige Weise und eingebettet ins Zeitgeschehen erzählt Michael Herzig von den Verheerungen des sogenannten Hilfswerks «Kinder der Landstrasse», das sowohl Mariella als auch Christian quälte und misshandelte - fünfzig Jahre nach dem Ende des «Hilfswerks» sind die Folgen noch immer präsent.
Die Geschichten der 18 Frauen, die Angelika Overath porträtiert, sind ganz unterschiedlich, aber eines verbindet sie: die Liebe zum Engadin, wo sie alle leben, wobei manche zugezogen sind, andere ihr Heimatdorf nie verlassen haben. Von der 25-jährigen Studentin bis zur 83-jährigen Journalistin wird ein breites Spektrum an Lebensentwürfen aufgezeigt, die alle einzigartig sind. Sie bilden ein Panorama des weiblichen Teils der Engadiner Bevölkerung und zeigen für einmal nicht berühmte Personen, die Aussergewöhnliches geleistet haben, sondern diejenigen, deren Wirken zum Engadiner Alltag beiträgt: eine Kindergärtnerin, eine Hüttenwartin, eine Bäuerin oder eine Reinigungskraft beispielsweise. Inspirierend, berührend und zugänglich sind diese Porträts von Engadiner Alltagsheldinnen.
Als Daniel de Roulet von seinem Vater einen goldgerahmten Stich erbt, auf dem ein Vorfahr mit Louis-XVI-Perücke abgebildet ist, stellt sich heraus, dass es sich um den Besitzer eines Söldnerregiments handelt, Jacques-André Lullin de Châteauvieux. Ein Menschenschinder, der einen Aufstand seiner Söldner wegen ausbleibenden Solds blutig niederschlagen lässt. Wie die «Zehn unbekümmerten Anarchistinnen» beruht der Roman auf historischen Vorbildern. Im Straflager von Brest hat de Roulet sieben Namen von Söldnern notiert, deren Schicksal er erzählt, im Zentrum das des neunzehnjährigen Genfer Schreiners Samuel Buchaye. «Aus diesen Namen habe ich Figuren gemacht. Die Mächtigen erdrücken einen mit ihrem Erfolg. Ihren Sklaven, den weniger vom Glück Begünstigten, erteilt nur die Literatur das Wort.»
Fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs stirbt der jüdisch-amerikanische Veteran George Bromfield auf verdächtige Weise in einem Krankenhaus in New York. Kann es sein, dass seine zweite Ehefrau seinen Tod beschleunigt hat? Beim Versuch, die mysteriösen Todesumstände aufzudecken, graben seine Tochter Eva und ihr Bruder Max immer tiefer in der geheimnisumwobenen Vergangenheit ihres Vaters. In München und New York gehen die Geschwister auf Spurensuche, um herauszufinden, warum ihr Vater nach dem Kriegsende nach Bayern zurückgekehrt ist und wie das mit seiner Freundschaft zu einem Porträtmaler und Nazikollaborateur zusammenhängt. Gekonnt verbindet Elisabeth Bronfen eine Spionagegeschichte mit einem Familiendrama und stellt dabei das Nachwirken einer Kultur der Geheimhaltung dar, wie sie für die Nachkriegszeit prägend war.
Hunger, Armut und Allgegenwärtigkeit des Todes treiben Gori um 1927 aus dem kargen Alltag im Maggiatal ins ferne Kalifornien. Zurück lässt er seine erste Liebe, Maddalena, seine Familie und Freunde. Zwanzig Jahre später kehrt Gori, geplagt von nicht endendem Heimweh, in seine Heimat zurück und findet nichts mehr, wie es war. Maddalena ist tot, die Mutter behindert und der Vater alt und gebrechlich geworden. Die in der Ferne ersehnte Heimat ist selbst fremd geworden. Plinio Martini, der 1979 verstorbene Tessiner Autor, schildert wirklichkeitsnah und mit von unterdrücktem Zorn vibrierender Sprache das Leben der armen Bauern aus dem Maggiatal. - 'Einer der erstaunlichsten Romane, die in der Schweiz je geschrieben wurden. Schliesslich gibt es in der neueren Literatur nur wenige Liebesgeschichten von der Behutsamkeit und Verhaltenheit der Geschichte von Gori und Maddalena.' Neue Zürcher Zeitung
Nah der schweizerisch-italienischen Grenze, im hintersten Dorf des Onsernonetals, verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Es sei Krieg ausgebrochen. Schon tauchen die ersten Menschen, die vor den italienischen Faschisten fliehen, im Dorf auf. Entgegen den Befehlen der Regierung in Bern nimmt man sie auf. Indessen halten die Grenzwächter nicht nur Ausschau nach Flüchtlingen, denn auch Schmuggler passieren unentdeckt die Grenze und tragen Safran, Käse und Reis über die Berge. Die Schmuggler machen Geschäfte mit den Dorfbewohnerinnen und -bewohnern und verstecken sich in ihren Ställen. Und sie verkehren auf der Bargada, dem Gut unweit des Dorfes, das Orsanna Armini, ihre Tochter Zoe und die junge Claretta bewohnen. Im zweiten Teil ihrer Chronik schreibt Aline Valangin die Geschichte der Arminifrauen fort und verarbeitet die Ereignisse im Tessiner Dorf an der Grenze während des Zweiten Weltkriegs.
1970 wurde die Schwarzenbach-Initiative nur knapp verworfen. Sie war der Auftakt zu einer bis heute anhaltenden Reihe von «Überfremdungsinitiativen», die Generationen von Menschen mit Migrationsgeschichte traumatisiert haben. In diesem Buch sprechen Zeitzeug:innen der Schwarzenbach-Initiative über ihr Leben im Provisorium. Sie erzählen von prekären Wohnverhältnissen, zurückgelassenen Kindern, Diskriminierung und Ausgrenzung, aber auch von Freundschaft und Widerstand. Viele von ihnen wurden durch die Initiative politisiert und zu einem Engagement bewegt, das bis heute das gesellschaftliche Leben in der Schweiz prägt. Herausgegeben und mit einer Einleitung von Francesca Falk. Unter Mitarbeit von Studierenden der Universität Bern. Mit einem Beitrag zu Überfremdungsdiskursen von Cenk Akdoganbulut. Fotografien von Michael Züger. Literarisch-biografische Texte von Melinda Nadj Abonji und Jelica Popovic erweitern die Darstellung migrantischer Erfahrungen um zwei jüngere Stimmen. Im Nachwort beschäftigt sich Fatima Moumouni mit der gegenwärtigen Migrationsdebatte und dem Rassismus in der Schweiz.
Die Eltern des Mädchens misstrauen dem Fernsehen, aber beim medienaffinen Nachbarn Ege darf es so lange schauen, wie es will. Eges Wohnung steht voller Geräte, und er dreht Videos, die nie jemand sehen will. Das Mädchen darf in Eges Filmen mitspielen. Hinter der Kamera steht Gisela, seine Part-nerin. Aber meist sitzt Ege in seiner verdunkelten Wohnung, verachtet die Welt und trinkt. Gisela wohnt im oberen Stock und entsorgt die leeren Weinflaschen. Die Eltern sind überfordert mit dem Kind, das sein Bett nässt und kaum spricht. Der Vater ist Biologe und wendet sich lieber bedrohten Tierarten zu. Die Mutter bildhauert und ist mit ihrer Kunst beschäftigt. Ein Heiler soll helfen. Das Mädchen sucht Zuflucht bei einem Engel, den es auf einer Videokassette von Ege entdeckt hat. Und wirklich, der Engel hält zu ihm. Durch dieses Kabinett der Hilf- und Sprachlosigkeit nähert sich Sarah Elena Müller dem Trauma einer Familie, die weder den Engel noch die Gefährdung zu sehen imstande ist. Und von der Grossmutter bis zum Kind entsteht ein Panorama weiblicher Biografien seit dem grossen Aufbruch der Sechzigerjahre.
Die irakischstämmige Aida verleugnet ihre Herkunft, was immer wieder zu Streit mit ihrem Freund führt. In ihrer Not setzt sie sich hin und beginnt aufzuschreiben, was sie nicht sagen kann. Geboren in einem iranischen Flüchtlingslager, kam sie mit ihren Eltern und der älteren Schwester in die Schweiz. Die Mädchen gehen zur Schule, aber ihre Eltern kommen mit dem westlichen Alltag nicht zurecht und verklären mehr und mehr ihre Heimat. Der Vater, ein konservativer Theologe, beschliesst schliesslich, mit der ganzen Familie in den Irak zurückzukehren. Aber was für die Eltern die Heimat ist, die sie einst verlassen haben, ist für die beiden Schwestern ein fremdes Land. Als die Ältere verheiratet werden soll, fliehen sie nun ihrerseits und gelangen als unbegleitete Minderjährige in die Schweiz. Aber auch sie lässt die Vergangenheit nicht los. Wieder gelingt es Usama Al Shahmani, vielschichtig von der grossen inneren Anstrengung von Flüchtlingen bei ihren Integrationsbemühungen zu erzählen und dabei immer ein Fenster zur Hoffnung offenzulassen. Und nicht zuletzt überwindet er selbst die Mühsal des Exils durch das Verschmelzen der arabischen mit der westlichen Kultur im Erzählen.