Während mehrerer Jahre hat Thomas Meyer kurz- und langfristige Beobachtungen erneut zu Einsichten kondensiert. »Auf Mut kannst du lange warten.« basiert auf diesen ganz persönlichen Gedanken und bietet komprimierte Weisheit im Sinne des Diktums »Die Arbeit an der Sprache ist die Arbeit am Gedanken«. Von Gottes Nichtexistenz über die Uncoolness des Vaterseins bis zu vermeintlich jüdischem Humor, dem Sinn der Zwecklosigkeit und schlussendlich dem Ende der Hoffnung reichen die pointiert und oft doppelbödig formulierten Einsichten. »Auf Mut kannst du lange warten.« ist ein kluges, anregendes Geschenk für jede Gelegenheit.
Anna Stern übertrifft mit »Beim Auftauchen der Himmel« die Erwartungen, die sie mit »Schneestill« und »Der Gutachter« geweckt hat. Ihr neues Buch versammelt zehn Erzählungen, die nicht nur hohen literarischen Schaffensdrang beweisen, sondern von außergewöhnlichem Talent zeugen. Da ist der junge Wissenschaftler, der regelmäßig mit seiner Großmutter telefoniert und für sie eine Freundin erfindet, deren Charakterzüge auf denen einer Arbeitskollegin basieren. Oder der Alleinstehende, in dessen Leben überall und immer Eidechsen hausen. Die Titelgeschichte handelt von einem Mann, der ein ertrinkendes Kind rettet, aber danach nicht weiß, ob es überlebt hat oder nicht. Schließlich schafft Anna Stern eine wundervolle, charmante Hommage an den großen, 2016 verstorbenen David Bowie und verhandelt das autobiografische Schreiben mit raffinierten Bezügen zu Knausgård. Vom subtilen Teenagerdrama über einen kurzen, fiesen Krimi bis zum fein ausgearbeiteten Beziehungsdrama: Anna Stern bewegt sich souverän und immer spannend zwischen Stilen und Genres. So verschieden die Geschichten auch sind, sie werden stets von der Atmosphäre und Anna Sterns eigenem, charakteristischem Stil getragen und ergeben einen Erzählband, der weit mehr ist als die Summe der einzelnen Texte.
Was soll die Ärztin Hannah mit den vier Wochen Zwangsferien anstellen? Zwischen Job und Kindern aufgerieben, weiß sie nun nichts mit sich anzufangen. Währenddessen folgt Rosette einer mysteriösen Einladung und erlebt ein aufregendes Abenteuer in einem Luxusresort. Hannahs Ex-Mann Lukas verliert sich dagegen nach einem misslungenen Kinderausflug zunehmend im Livestream eines alaskischen Nationalparks.
Dann löst Hannahs Begegnung mit der Patientin Alva eine Folge von Ereignissen aus, die die beiden jungen Frauen zu einem Ausloten der Grenzen zwischen Ich und Du, zwischen Wahn und Wirklichkeit verleiten: Grenzen, die immer mehr zu verwischen drohen.
Mit einem scharfen Blick für die Brüche und Grenzüberschreitungen in zwischenmenschlichen Beziehungen verdichtet Anna Stern in den vorliegenden Texten ihr Werk nochmals stark. In dieser mehrdimensionalen Identitätssuche stehen die Kapitel für sich, doch die Figuren, die Fäden, die in den Seiten von Alvas Notizbuch gespannt werden, hängen zusammen und schaffen - thematisch, sprachlich und atmosphärisch - ein großes Ganzes.
»blau der wind, schwarz die nacht.« ist einmal mehr ein meisterliches Werk von subtiler literarischer Wucht.
Ein improvisiertes Flüchtlingscamp im Zürcher Hauptbahnhof, ein eskalierender Wahlkampfauftakt der Rechtspopulisten, ein Anschlag auf eine eritreische Familie sowie zwei Mittzwanziger, die nicht zusammenfinden: Das sind die tragenden Elemente, auf denen Benjamin von Wyl eine melancholische und brisante Bestandsaufnahme seiner Schweiz wagt.
Ein entfremdeter Mittzwanziger trifft sich mit einer nicht entfremdeten Mittzwanzigerin nach einer libidinösen Zusammenkunft auf der Dreirosenbrücke in Basel. Sie kommen zusammen und dann doch wieder nicht.
Gleichzeitig steigen einige Flüchtlinge im Railjet von Wien nicht mehr in Salzburg um, sondern bleiben bis Zürich sitzen. So bildet sich ein Flüchtlingsghetto in der Zwischenebene des Zürcher Hauptbahnhofs. Die Schweizer Behörden und die SBB setzen auf Isolation.
Die Situation kocht über, als die SVP ihren Wahlkampfauftakt im Hauptbahnhof feiert. Ein Konflikt zwischen einem SVP-Sympathisanten und einem Jugendlichen sorgt für eine Politisierung der urbanen Subkulturen. Dazu begründet die junge Basler Großrätin Manna del Rey eine neue politische Bewegung.
Die Flüchtlinge brechen aus; eine Zeltstadt auf dem Platzspitz entsteht. Nach einem Brandanschlag auf eine eritreische Familie folgt die Eskalation. Gewalttätige Konfrontationen zwischen Schweizern und Flüchtlingen sind die Folge, es beginnt ein Bürgerkrieg zwischen den urbanen Zentren und dem Rest des Landes.
Von Wyl stellt brennende Fragen im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land, links und rechts, Introspektion und Extrovertiertheit. »Land ganz nah« ist endlich wieder ein kluger und gewagter politischer Roman aus der Schweiz.