"Wie soll die muslimische Welt an unsere Werte Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat glauben, wenn sie von uns nur Unterdrückung, Erniedrigung und Ausbeutung erlebt?", warnt Jürgen Todenhöfer und nutzt seine Prominenz, um die Rede vom Feindbild Islam zu verbreiten, das angeblich allerorten geschürt werde. Rückhalt findet er bei Gleichgesinnten wie Eugen Drewermann und Hans Küng sowie in der Welt der Wissenschaft. "ARD und ZDF schüren Islam-Angst", beklagt etwa der Medienwissenschaftler Kai Hafez in einer streitbaren Studie zum Islambild in deutschen Medien von 2007. Dass unter diesen Umständen viele Muslime ihr Bild als ewiges Opfer christlich-abendländischer Arroganz pflegen und sich sogar als "die neuen Juden Europas" fühlen, mag nicht überraschen. Klemens Ludwig aber fragt kritisch, wem ein solches Rollenverständnis nützt. Ist der Opfernimbus tatsächlich berechtigt oder leistet er nur Eigeninteressen Vorschub? Ein aufgeklärter, emanzipierter Islam, der gleichberechtigter Teil der europäischen Gesellschaften ist, wird sich aus dieser Haltung jedenfalls nicht ergeben. Denn wer sich als Opfer fühlt und von anderen in dieser Rolle bestätigt wird, hat wenig Anlass, sich über die eigene Verantwortung für sein Schicksal Gedanken zu machen. Da aber ein Dialog der Kulturen nur funktionieren kann, wenn alle Beteiligten zu den Schattenseiten ihrer Geschichte stehen und die Ursachen für manche Entwicklungsdefizite auch bei sich selbst suchen, fordert Ludwig von den Vertretern des Islam, kritische Selbstreflexion zu betreiben, anstatt Diskriminierungsvorwürfe zu formulieren, und vom Abendland, selbstbewusst die errungenen Werte der Aufklärung zu verteidigen - allen voran die allgemeinen Menschenrechte. Dann wäre es nicht mehr möglich, Untaten wie den Mord an mehr als 50 Christen im Irak im Oktober 2010 als folgenlosen Zwischenfall abzutun.