Die Passkontrolle ist vorbei, die Passagiere treten ins Mittagslicht. Die Reise durch Israel und Palästina beginnt. Sieben Tage dauert sie. Vorbei an Barrieren, Grenzposten, Mauern führt sie auf die Zinnen einer Altstadt. Sie führt in die bunte Vielfalt eines Suks, sie führt in das Quartier orthodoxer Gläubiger, sie führt in besetzte Gebiete. Eine verlassene Mühle kommt in den Blick, die Stimme eines Vertriebenen ist zu hören, eine schattige Eiche lädt zum Verweilen ein. Das Ich, unterwegs zu Fuß, mit Auto oder Bus, wird gewahr, wie sich ihm ein alter Kulturraum öffnet, der keine festen Grenzen kennt und in vorbiblische Zeiten zurückreicht. Gleichzeitig wird es von der politischen Hochspannung, die das Land im Griff hat, erfasst.
Rudolf Bussmann hat Israel und die Westbank 2018 bereist und die Niederschrift des Buches vor dem Überfall der Hamas vom Oktober 2023 beendet. Seine Gedichte begegnen den Widersprüchen und Konflikten mit einer Sprache, die in starken Bildern Schönheiten genauso wie Abgründe dokumentiert. Sie holen die Vision vom verheißenen Land aus der Versenkung und versuchen ihr in einem eindrücklichen Statement neue Konturen zu geben.
Seit dem sogenannten Damenprogramm ihrer Mütter haben sich die Verhältnisse grundlegend geändert und inzwischen sind Anna und Ruth selbst Damen im "reifen Alter". Die beiden unterschiedlichen Frauen sind beste Freundinnen und auch familiär verbunden, seit Anna Ruths Bruder Arno geheiratet hat. Überdies nimmt Ruth als Patentante regen Anteil am Leben von Annas suchtkranker Tochter Caro, einer komplizierten jungen Frau, die ein Leben auf der Kippe führt. Kipp- und Wendepunkte ganz anderer Art haben auch die Freundinnen erreicht. Während Anna den Tod ihres demenzkranken Partners Arno verarbeiten muss, beendet Ruth eine unbefriedigende Beziehung. Nicht mehr jung, noch nicht alt, sehen sich die beiden mit einer ungewissen Zukunft und einer Reihe existentieller Fragen konfrontiert. Mal melancholisch, mal satirisch, in jedem Fall ziemlich unerschrocken fragen sie nach den Besonderheiten ihres Lebensabschnitts, und, wie altern jenseits aller Vorbilder und Rollenangebote geht? Was es heißen könnte, sich als gestandene Frau neu zu erfinden. Nicht großmütterlich neutralisiert, weder griesgrämig, noch selbstoptimiert. Anna und Ruth mischen sich ein! Und derweil das Leben weitergeht und nach täglicher Bewältigung verlangt, reift in ihren klugen Köpfen ein ganz neues Damenprogramm und ein konkreter Plan. Mit ihrem neuen Buch gelingt Theres Roth-Hunkeler ein großer Wurf. Ein berührendes, unmittelbar in Bann ziehendes Buch über das Altern, das die Verluste nicht leugnet, dabei beherzt auf das halb volle Glas schaut. Im gekonnten Wechsel zwischen Dialogen, Briefen, Rücklenden, der Innenschau der Figuren und der Außenperspektive einer souveränen Erzählinstanz erschließt sich die Geschichte der eigenwilligen Protagonistinnen, die hier hoffentlich nicht das letzte Mal auftreten.
Land der Kindheit, Frommes Land, Sagenland, Land mit Geschichte: kenntnisreich und präzise liest Max Huwyler seien Zuger Heimat. Über Jahrzehnte gesammelte Erinnerungen und Fülle von Archivfunden verdichten sich zu einer Prosa von unverwechselbarem Klang, die ihren Ausgangspunkt oft im Unscheinbaren hat. Bei einer Bahnstation mit einem ungewöhnlichen Namen, einer kaum sichtbaren Inschrift, einer Treppe, die ins Nichts zu führen scheint. Den historischen Figuren - der Kindsmörderin, den Kämpfern an der Totenhalde bei Hünenberg, dem Fabrikdirektor - kommt Huwyler ganz nah. Und Entwicklungslinien verfolgt er mit wachem, kritischem Geist bis in die Gegenwart. So legt Max Huwyler Schicht um Schicht frei in einer Archäologie der Bedeutungen, einer poetischen Vermessung des Zugerlands, die unerwartete Horizonte und neue Weiten eröffnet. "Jakobs Auswanderung" ist eine Heimatkund der besonderen Art.
Wirklich sie selbst ist Natali nur, wenn sie im Atelier mit dem Meißel am Alabaster arbeitet. Hier ist sie ehrlich sich selbst gegenüber, erlebt glückliche Momente, hier kann sie sich eingestehen, dass zu Hause einiges in Schieflage geraten ist. Die Enge nimmt ihr den Atem zum Leben, die Abhängigkeit von ihrem Mann wächst. Dass Ehe und Familie auch anders gelebt werden könnten, ist nicht vorgesehen, denn Natali lebt mit ihrer Familie in einer religiösen Gemeinschaft, in der klare Regeln gelten. So bestimmt der Mann, wo die Familie den Urlaub verbringt, und die Kinder lernen in der Sonntagsschule, dass Gott auch ein strafender Gott sei, der genau erkenne,wer in den Himmel komme. Natali wuchs in einer religiösen Familie auf. Dass sie auf die Kunsthochschule wollte, war ein Tabubruch. Doch sie setzte sich durch, um schon bald zurückzukehren, nachdem sie Manuel kennengelernt hatte. Nun jedoch bekommt die heile Welt in der Gemeinschaft zunehmend Risse. Natali öffnet Tür um Tür, sie lernt eine alleinstehende Theologin kennen, sie führt lange Gespräche mit Christof, dem Atelierpartner, sie sieht eine Verantwortung ihren Töchtern gegenüber, die mehr als nur diesen schmalen Ausschnitt der Welt kennenlernen sollen, um sich zu eigenständigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Und vor allem kann Natali immer weniger verleugnen, dass sie, falls sie so weiterlebt, langsam erstickt. In ihrem zweiten Roman dringt Tabea Steiner tief in die Strukturen einer Glaubensgemeinschaft ein, deckt die unausgesprochenen Gesetzmäßigkeiten auf und begleitet ihre Figuren auf dem schwierigen Weg, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.