Mit Musik fängt er an, und beim Gehen, Reisen und Schauen versetzt Pedro Lenz uns dann auf tänzerische Weise in verständiges Lächeln oder kindliches Staunen. Die einfachsten Dinge, sei's am Kinderspielplatz, bei der Arbeit, in der Kneipe, im Auto oder im Zug, gewinnen in seinen Beobachtungen poetischen Glanz und philosophische Tiefe. Er spricht von Geburt und Tod, Kindheit und Alter, Liebe und Verrat, Streit und Versöhnung und zeigt immer wieder und vor allem: "öppis derzwüsche". In der Schwebe zwischen leiser Trauer und befreiender Heiterkeit lässt er uns mit "zärtlicher Zunge" und schalkhaftem Hintersinn die Welt liebgewinnen. Weder blind noch blauäugig, sondern im Wissen um unsere Mängel und Gebrechen, führt dieser Sänger uns von der Ewigkeit im "erschte Müntschi" bis zum erwarteten und dann doch plötzlichen Tod: "Zum go und zum cho / söttsch chönne lo go / s isch liechter eso."
In einer beschaulichen Kleinstadt in der Schweiz passiert Erstaunliches: Kaum gegründet, mischen Sabine und Chantal mit ihrem Verein "Polifon Pervers" und einer neuen Vision von "Onderhaltig" die Kulturszene auf. Risikofreudig und clever agierend, steigen sie als Theater-Produzentinnen zu nationalen Grössen auf und scharen eine illustre Runde um sich: vom eitlen Regisseur Lüssiän über den versoffenen Ghostwriter Iiv, den Lebemenschen und DJ Milan und die opportunistische Schauspiel-Grösse Schontal bis zu Jule und seinen Hanf-Bauern, die unversehens als Performance-Künstler brillieren. Dem Erfolg ordnet der Verein für Unterhaltung im Laufe der Geschichte alles unter, und so folgen auf erste Unsauberkeiten schon bald alle möglichen Formen des Betrugs. Béla Rothenbühler führt in seinem zweiten Roman auf überzeugende Weise die Tradition des Schelmenromans fort - für einmal mit Hochstaplerinnen und auf Luzernerdeutsch. Sein ironisch-satirisches Gedankenspiel über Kultur, Unterhaltung und Geld ist selbst grosse Unterhaltungs-Kunst.
Das neue Album "Brutto Inland Netto Super Clean" des Spoken-Pop-Duos Cruise Ship Misery ist ein veritables Gesamtkunstwerk: Im Buch findet jeder Songtext (Mundart) mit einer Illustration von Luca Schenardi und einer hochdeutschen Kurzgeschichte von Sarah Elena Müller zusammen - sie alle bieten damit immer wieder neue Zugänge zur Innen- und Unterwelt der Figuren. Ausserdem liegt der Download-Code zum Album der Publikation bei. In sieben Kapiteln erzählen die Figuren von den physischen und mentalen Gefangenschaften, die das Leben bereithält. Was nach Szenarien und Geisteszuständen aus dem Abseits klingt, ist doch selten weit unter der brüchigen Oberfläche des funktionierenden Lebens anzutreffen. In den Songs widmet sich die Sängerin Milena Krstic mal samtig, mal hässig den Wort gewordenen Beengungen - je verhängnisvoller die Lage, desto nachdrücklicher wird das Unbehagen zur Party erhoben.
30 Jahre ist es her, dass der Erzähler seine 13-jährige Freundin und Schwester Astrid tot im Maisfeld aufgefunden hat, ermordet. Nicht zuletzt die Frage, ob er damals der Toten noch einen Umschlag mit einem Gutschein entwendet hat, hält ein Karussell aus Reue und schlechtem Gewissen in Gang. Immer wieder breitet sich die dörfliche Szenerie in seinen Vorstellungen aus; Halbwissen, erinnerte Sprachfetzen und der Geist der Zeit treiben ihn um - und zurück zum Schauplatz. Weit weg gehen könnte eine Möglichkeit sein, vergessen. Oder auf einer Alp alles nochmals in Rollen bringen. In einer getriebenen, der Mündlichkeit angelehnten, aber auch sorgfältig tastenden Sprache geht Sebastian Steffens Erzählung den Sirenen eines Verbrechens nach. Brüchig wird der Humor, ausfällig die Trauer, spitzzüngig der Schmerz und tragend die Imagination in diesem eindrucksvollen Sprachkunstwerk.
Seit Jahren befasst sich Berta Thurnherr mit der Diepoldsauer Mundart, hat Geschichten gesammelt und aufgeschrieben und dem Klang dieser Sprache nachgespürt. Doch sie ist mehr als eine Bewahrerin des "Tippilzouar" Dialekts - sie ist eine Neuschöpferin. Mit "Rundumm Rii" erscheinen Thurnherrs Gedichte, Sprachspielereien, Geschichten und Verse in Buchform. Spielerisch setzt die Autorin Wort für Wort und Klang für Klang das "Tippilzouarische" zu neuem Sinn zusammen. Mit Wortschöpfungen und dem Einbinden von Fremdwörtern lotet sie die musikalischen Möglichkeiten dieser Sprache aus. Erzählt wird von Liebe und Trauer, von Lust und Last des Alltags, von der Schönheit der Natur und vom Leben am Alten Rhein. Und es ist die weibliche Sicht auf den Alltag, der empathische Blick auf Nichtprivilegierte und die direkte Art, Dinge beim Namen zu nennen, die den Texten ihre persönliche Note verleihen. Mit Poesie und Witz spürt Berta Thurnherr den scheinbar kleinen Dingen nach, die das Leben lebenswert machen.
Musik ist dieses Buch, inhaltlich, formal, sprachlich. Der Schlagzeuger Sämi tourt mit einer Band durch die USA, "die ganz wält taktet", wenn ihr Van über die Highways braust. Sämis Wahrnehmungs- und Gedankenloops takten, der Text taktet in seinen Episoden und Refrains, und es takten auch die Wörter in ihrer phonetischen Schreibung. In ironischem Kontrast zu unserem Lese- und Hörvergnügen erlebt Sämi Enttäuschung und Verdruss. Das ersehnte "On the road" wird ihm zur schalen Routine, "e trättmüli /es laufrad". Er setzt der voranstürmenden Tour Rückwärtsbewegungen entgegen, spult seine Reise und sein Leben zurück wie in seinen Videos und geht rückwärts, bis sogar die Band rückwärts spielt. Durch die sich dabei ergebenden Slapstick-Kapriolen gewinnt der Text über die präzisen Bilder der vorbeirauschenden Szenen hinaus auch filmische Qualität. Zugleich erweist sich Sämis rückspulende Rebellion als tragikomische Demontage des amerikanischen Traums.